Was versteht Horst schon von Lyrik  

 

Unter diesem Titel erschien ein Band mit Kurzgeschichten von Stephan Sarek.

Bei der titelgebenden Geschichte handelt es sich um den Lyrikwettbewerb eines unbedeutenden Ortes, für den sich eigentlich außer den Teilnehmern kein Mensch interessiert.

Satirisch wird von den Mühen berichtet, ein bedeutendes Gedicht für diesen Wettbewerb zu schaffen und von der Nervosität, dieses zu präsentieren. Sehr überzeugend wird das Entsetzen und die Verzweiflung geschildert, als der auf Ruhm hoffende Autor bemerkt, dass ihm an Stelle seines literarischen Meisterwerkes ein Einkaufszettel vorliegt, dessen Interpretation dann doch noch prämiert wird, weil niemand zugeben will, dass er von der vermeintlich modernen Lyrik nichts versteht.

Die Erzählungen dieses Buches sind alle in der für Sarek typisch witzigen Art geschrieben. Im Mittelpunkt steht immer der menschliche Charakter mit seinen Schwächen, mal heiter – ironisch, mal bissig - sarkastisch betrachtet. Stephan Sarek scheut sich vor keinem Thema. Stures Verwaltungsdenken nimmt er genauso aufs Korn wie die falsche Wichtigkeit hoch bejubelter Philosophen. Ebenso geht er auf die Folgen von Korruption ein, mal nutzen Eltern die übersinnlichen Kräfte ihres Babys aus, mal werden Menschen zu Schweinen. Aber auch die Macht der Liebe greift er auf, egal ob sie zwei Geldscheine oder Hund und Katze verbindet. Es ist bemerkenswert, wie zartfühlend dieser scharfzüngige Autor Gefühle beschreiben kann.

Seine Geschichten beginnen immer sehr realitätsbezogen und treiben dann langsam, fast unbemerkt ins Absurde ab. Gelegentlich erinnert der Stil an Ephraim Kishon. Seine Erzählungen werden nicht unbedingt von dem Witz getragen, bei dem man sich laut lachend auf die Schenkel klopft. Es ist ein spöttischer Humor, der über Allem steht.


Christine Bitterwolf
Stadtteilzeitung Berlin-Schöneberg

 


 

 

Was versteht Horst schon von Lyrik

 

"Ich war ein ernster Mensch. Da gab man mir dieses Buch. Tausende andere nicht. Hat mich dann doch interessiert. Da ich die vielen anderen nicht hatte, las ich das. Kurzgeschichten und Erzählungen. Eine unvollständige Sammlung diverser Lebenshöhepunkte. Zwischen den Lücken liegen die Tücken. Das Leben ist hart und das Schicksal fast noch mehr. Auch der allergrößte Lebensentwurf muss sich in der einzelnen Episode beweisen. Da kann schon mal was schief gehen oder eben richtig, was auch fatal sein kann. Das Unvermutete hat einen sehr bestimmenden Einfluss auf unser Leben.
„Was versteht Horst schon von Lyrik“ von Stephan Sarek. Als ich die Titelgeschichte gelesen hatte, wusste ich, anderen geht es auch nur wie mir.
Man sollte das Buch nicht daheim lesen. Kann man zwar, muss man aber nicht. Auf den teilnehmenden Schutz der Öffentlichkeit sollte man nicht verzichten. Am besten liest man laut. Wenn man Zeit hat! Denn man gewinnt eine große Schar von Zuhörern und jede Menge Freibier. Am Ende hat man alle Geschichten vorgelesen, eine betörend heisere Stimme und anderntags einen schmerzenden Bauch. Die Empörung der frisch gestählten Lachmuskulatur.
Werde das Bändchen meiner Krankenkasse zu Therapiezwecken empfehlen. Zum Beispiel für Todeskandidaten. Lesen die das Buch, verpassen die glatt ihren Termin.
Natürlich ist das Buch überall im Buchhandel zu haben, doch bei diesem Geheimtipp sollte man dort vielleicht einen guten Bekannten haben. Sie können sich auch an den Verlag wenden, die sind da nicht so elitär.
Ja, ich war auch mal ein ernster Mensch."

fw, The Intelligence - Das Informationsportal (02.07.2010)

 

 

 Was versteht Horst schon von Lyrik

"Nur der Titel verwirrt. Und auch das Cover-Bild. Sie verheißen anstrengende Lektüre. Auch wenn der Titel witzig klingt. Es geht zwar zwei Mal um Horst und der Horst im Titel hat nichts mit dem Horst Ziolkowsky zu tun, der im Klappentext Erwähnung findet. Der eine versteht wirklich nichts von Lyrik. Dem anderen aber wurde eine Ampelanlage in die Wohnung gebaut. Das sind jene kleinen, witzigen Geschichten, wie man sie von Ludwig Thoma etwa kennt. Der normale wahnsinnige Alltag gibt sie her. Jedes Volk ist von den Narreteien seiner biedersten Mitglieder geplagt. In Deutschland gehören auf jeden Fall übereifrige Verwaltungen und diverse Dichtervereine dazu. Durchgeknallte Ministerpräsidenten, die die Hatz auf einen Braunbären eröffnen, genauso wie all die smarten Einsparfüchse, die auch unbedingt ins Gesundheitswesen die freie Marktwirtschaft einführen wollen - mit verheerenden Folgen. Manche Geschichte schrammt dann logischerweise dicht an einer saftigen Gesellschaftskritik vorbei. Das Lachen bleibt im Halse stecken. Aber es ist wohl so. Wenn der freie Wettbewerb auch noch den Herzinfarkt zur Handelsware macht, zeigt sich erst, wie korrupt der Mensch sein kann, wenn er darf.

Man sieht vielen der hier versammelten Geschichten an, dass sie zuvor schon eine Veröffentlichung in einem Tagesmedium erlebt haben. Das ist nicht schlecht. Das ist eine Tugend. So sind sie erprobt und brauchen sich nicht mehr beweisen. Und man merkt, dass Sarek das kurze Geschäft beherrscht, dass die Pointen passen und keine vakuumverpackte Luft in den Texten ist wie heutzutage in vielen Produkten der Knabber-Industrie. Man kann also aufs Knabbern verzichten. Das liest sich weg im Bus, in der Bahn, vielleicht sogar beim Warten auf die Geliebte. Kluge Männer haben immer ein kurzweiliges Buch dabei, wenn sie sich verabreden. Die schönsten Frauen kommen immer am pünktlichsten. Ein, zwei Sarek-Geschichten schafft man da schon.

Bis auf die anderen, die er hier hereingemogelt hat. Denn Sarek ist auch ein Träumer. Mit 53 Jahren darf man das wieder sein. Da muss man niemandem mehr beweisen, wie abgebrüht ein Knopf im Ohr ist. Da darf man sich verwandeln. Auch wieder in einen Liebhaber. Und es gibt ein paar sehr innige Liebesgeschichten in diesem Buch. "Himbeermund" heißt die eine und handelt - auf Schweizer Umwegen - von der ersten und unüberbietbaren Liebe. Sie geht - wie kann es anders sein - wehmütig aus. Und in "Penelope" geht es um Hund und Katz. Nicht symbolisch, sondern in Italien irgendwo, wo das Wetter eine herrliche Kulisse abgibt für das kurze lange Leben eines Beagles und seiner Bekanntschaft mit einer klugen Katze. Das kann man nicht nacherzählen. Das muss man lesen. Es ist zu schön. So wie die märchenhafte Liebe in "Seemannsgarn". Da klabauterts ein bisschen und ist doch romantisch bis in die Knochen.

Und das ist wohl so, weil ein satirisches Gemüt wie Sarek auch ein unerziehbarer Romantiker ist. Vielleicht bedingt sich das ja und geht in den deutschen Wäldern nur deshalb so oft schief, weil die Romantiker glauben, ernst genommen werden zu müssen. Das müssen sie nicht. Sie sollten allesamt mehr Heine lesen und weniger Schopenhauer. Aber wem sagt man das? - Schopenhauer sieht so schön aus im Regal. Und Heine muss man immer verstecken, wenn einer mit einer Fahne dahermarschiert kommt.

Man bekommt also ein buntes Vademecum in die Hand mit Sareks 24 Geschichten, darf mit dem Autor bei der Besteigung des Hirschberges scheitern und nach fliegenden Pinguinen Ausschau halten. Wer Phantasie besitzt, dem ist eine Menge möglich. Auch das fröhliche Spielen mit den ernsthaftesten Betätigungen all der ordentlich sortierten Aufgabenwahrnehmer. Hier schreibt einer, dar keine Lust darauf hat, die geschwätzige Ziellosigkeit der Gegenwart als literarischen Stoff zu verarbeiten. So billig macht er's nicht.

Das Pferd auf dem Cover kommt auch drin vor, fährt am Ende sogar U-Bahn. Aber wie gesagt: Der Titel spaßt mit dem Leser. Es geht nicht um Lyrik und andere schwere Dinge. Es geht nur um die normal schweren Dinge, die jedem Mitteleuropäer passieren können und die erst im Nachhinein zeigen, welchen Spaß man da erlebt hat. Und Sarek ist einer, der hält es mit dem klugen Spruch: Nimm dich selbst nicht so wichtig, dann lebt es sich schöner.
Und dem Leser verschafft es ein Lesevergnügen. Gäb's noch ein Regal mit Kurzweil in den Buchhandlungen, da gehörte es hinein. Zwischen Woody Allen, Karel Capek und Hermann Harry Schmitz."

Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung (12.06.2010)

 

 

 

 

Das Truthuhnparadies 

 


Eine Geschichte von 25.000 Truthühnern, einer schwangeren Jungfrau namens Maria, einem durchgeknallten Nachbarn namens Björn und ein paar Politikern mit Entscheidungsschwäche.
Man denkt ja gern, dass nur in der aktuellen Gegenwart besonders schlimme Versager in das eine oder andere politische Amt gewählt werden. Aber das war auch früher nicht anders. Es gibt kein Auswahlkriterium, das verhindert, dass sich auch in der höheren Politik der normale menschliche Durchschnitt wiederfindet - dass zum Beispiel auch das Amt des Landwirtschaftsministers mal mit einem Mann besetzt wird, der von Hühnern nicht viel Ahnung hat und beim Thema Truthühner den schlappentragenden Abgeordneten der Grünen fragen muss. Der sich verzweifelt in der Kantine für einen vegetarischen Spinatklops entscheidet, obwohl ihn die leckeren Leberwurstbrötchen locken.
Oder wie wäre es mit durchgeknallten Wissenschaftlern, die das Auftauchen von 25.000 Truthühnern als erstaunliches Naturphänomen betrachten, während sowohl Umweltminister als auch Bundeskanzler geneigt sind, die Sache lieber auszusitzen, als daraus einen öffentlichen Skandal zu machen? Oder dem Betreiber einer Hühnerfarm, der lieber eine große Blendwand aufstellt, um die Attacken der Tierschützer abzuwehren, als seine Steuern zu zahlen?
Kommt einem alles ein bisschen bekannt vor. Ob die Truthühner - wie Björn glaubt, der sie in einer Ein-Mann-Aktion zu befreien versucht, tatsächlich Außerirdische sind, erfährt man in diesem Buch noch nicht. Aber der Folgeband - "African Tango" - ist ja im fhl Verlag schon angekündigt.

Eigentlich beginnt alles damit, dass der Autor ganz zu Anfang in die Rolle einer jungen Dame namens Maria schlüpft, die nach Berlin ging, um einen echten Neuanfang zu wagen, und die nach einer sehr lebhaften Begegnung mit einer anderen jungen Dame fest davon überzeugt ist, lesbisch zu sein. Dass dann nach einem unerwarteten Unwohlsein auch noch die verblüffende Erkenntnis hinzu kommt, dass sie in der zwölften Woche schwanger ist, ohne sich an eine dementsprechende Begegnung mit einem oder mehreren jungen Herren erinnern zu können, macht die Sache noch ein wenig wundersamer.

In einem Mädchenroman würde die Heldin jetzt, so weit ab von ihrem heimeligen Paderborn, in eine entsetzliche Panik verfallen. Nicht aber diese Maria, die selbst der bissigen Verkäuferin im Laden abtrotzt, dass sie Schlagsahne für ihren Kaffee haben will und keine Kaffeesahne. Da weiß sie noch nicht, dass sie schwanger ist. Und auch nicht, dass sie sich fast begeistert auf den Spleen ihres Nachbarn einlassen wird, der finstere Regierungsmachenschaften wittert, bei denen die kollernden Außerirdischen gefoltert und dann zu Fleischbällchen verarbeitet werden. Nebenbei ist er auch noch Vegetarier und hat das Zölibat für sich beschlossen. Aus einem verständlichen Grund: So vermeidet man es, von den Mädchen regelmäßig abgewiesen zu werden.
Als er dann auch noch einen spektakulären Überfall auf die nächste Sparkassen-Filiale beschließt, um sich das Geld für die Truthühnerbefreiung zu beschaffen, sind die beiden ein Paar - sorry: ein Team. Auch wenn der Überfall dann nicht ganz so abläuft, wie Maria sich das gedacht hat. Und so manches Andere danach auch nicht. Was so schlimm nicht ist, denn die Helden des Buches stammen nicht so sehr aus der verbiesterten, auf Perfektion und permanente Strafandrohung bedachten Personage der bundesdeutschen Wirklichkeit. Sareks Helden nehmen das Leben eine ganze Ecke leichter - egal, ob sie nun Security-Mann auf der Hühnerfarm sind, niedersächsische Hühnerbefreier oder etwas orientierungslose Minister.

Das Buch ist in dieser Beziehung sogar eine echte Erholung. Und man kann sich ein solches Land, in dem sich auch Minister und Bundespräsidenten einmal nicht so dauergewellt ernst und selbstgerecht präsentieren, beinahe vorstellen. Beinahe. Aber der Deutsche im Speziellen und im Allgemeinen ist natürlich weder kauzig, noch spleenig, noch naiv. Wer solche Gestalten in der niedersächsischen Fauna ausmacht, hat entweder ein sonniges Gemüt oder den Humor noch nicht verloren. Oder umgetauscht in den Konfektionshumor, den man derzeit trägt. Sarek ist so einer.
Und weil wahrscheinlich im Jugendbuchregal neben all den finsteren Fantasy-Schinken kein Platz mehr ist, kann man dieses Taschenbuch nun wahlweise suchen bei den Tierbüchern, im Humorregal oder bei den fröhlichen Liebesgeschichten, die es in deutschen Buchläden natürlich auch nicht gibt, weil das entsprechende Regal mit gedankenschweren Familien-Sagas und quälenden Obsessionen verstopft ist.

Was also tun? Vielleicht mal fragen, ob da draußen ein Buchhändler den Mumm hat, eine Buchhandlung zu eröffnen, in der nur lebenslustige Ware verkauft wird. Solche, nach deren Lektüre man das Gefühl hat, so herumhopsen zu müssen, wie Maria in ihrem Banküberfall-Kostüm - im Pippi-Langstrumpf-Hops. Sozusagen. Der nächste Schwerenöter, der einen dann strafend ansieht, kommt garantiert gleich des Weges.

Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung (21.01.2012)
 

 

 

 

 

African Tango

 

Auch der zweite Teil von Stephan Sareks Truthuhnparadies ist jetzt als Taschenbuch im Leipziger fhl Verlag erschienen. Ein Truthuhn schaut den Betrachter skeptisch vom Cover an. Es kommt zumindest kurz drin vor - dann kommt's abhanden. Denn nachdem Björn und Maria schon im ersten Teil arg in die Klemme geraten waren, geht's nach ihrer Rückkehr in den Prenzlauer Berg munter weiter. Comedy nonstop
Man wundert sich eigentlich, dass es dieses Extra-Regal in den Buchhandlungen nicht gibt, sauber aufgestellt zwischen Satire und Belletristik. Gesponsert vom Öffentlich-Rechtlichen, denn wer mit den Familienfilmen von ZDF, ORF und ARD aufgewachsen ist (und darin zu diesem Weihnachtsfest wieder regelrecht ersäuft), der wird sich hier in heimatlichen Gefilden wiederfinden, in jenem Land, das es eigentlich nur in verfilmter Version gibt - dem Land der verkleideten Prinzen, der taffen Aschenbrödel, der freundlichen Polizisten, emanzipierten Mütter und Filmdrehs in schmucken Villen.
Eigentlich kann man Sareks Romane als Persiflage auf all diese Heile-Welt-Filme lesen. Immerhin glaubt Björn felsenfest daran, dass Truthühner Außerirdische sind, die von der Regierung gejagt werden. Im ersten Teil der Geschichte war er verstrickt in eine große Truthuhn-Befreiungsaktion. Vorher hat er mit seiner Nachbarin Maria zusammen versucht, eine Bank auszurauben. Nur waren ein paar andere Ganoven schneller. Und trotzdem landet die junge nicht-schwangere Dame auf einem Fahndungsplakat der Polizei, die nun im zweiten Teil gleich mehrfach an der Tür klingelt, jedes Mal aus einem anderen Grund. Wenn die Berliner Polizei tatsächlich so viel Personal hat, dürfte die Verbrechensrate dort mittlerweile im Negativen sein.
Aber man kennt das ja aus all diesen auf Speed und Fröhlichkeit getrimmten Fernsehfilmen, die man mit leicht abgewandelten Texten auch gleich als Comedy-Clip verarbeiten könnte - es ist die Welt der Lustspiele, die sich mit den wirklichen Abenteuern, Sorgen und Verwirrungen der Menschen im Lande gar nicht erst aufhalten. So wenig wie sich Björn und Maria mit derlei Dingen aufhalten. Von jener Panik getrieben, die im TV die beiden Achjemine-Verliebten für die nächsten zwei Stunden heillos in die Irre jagen lässt ergreifen die beiden jungen Leute die Flucht, lassen sich auf die Zuflucht in einer protzigen Villa in Zehlendorf ein, versuchen Björns Truthuhn wiederzubekommen und begegnen einer schrägen Type, die jenes seltsame Buch verzapft hat, aus dem Björn seine Lebensweisheiten bezieht.

Der Bursche ist selbst eine verkrachte Gestalt, versucht sich an einem Selbstmord, der sich noch im Nachhall in eine glitzernde Kurz-Karriere als schräger Vogel im Privat-TV verwandelt. Man merkt schon, dass Sarek so einige Dinge auf dem Kieker hat, die irgendwie zur Normalausstattung dieses Landes gehören. Jedenfalls dann, wenn man brav seine Fernseh-Steuer entrichtet und sich Abend für Abend auf das einlässt, was Regisseure, Programmgestalter und Filmförderer in diesem Land für normal halten.
Natürlich schreibt Sarek so, dass seine Story ohne Probleme genau nach diesem Schema verfilmt werden könnte. Eine närrische Szene jagt die andere. Selbst die Polizisten, die zur Überwachung in einem Busch hocken, fehlen nicht. Genauso wenig wie eine wilde Jagd zum Flughafen, um eine zur Abschiebung eskortierte Afrikanerin noch im letzten Moment zu retten. Ob dabei ein lautes "Asyl!"-Rufen reicht, die Abschiebe-Eskorte zum Einhalten zu bringen, das kann man wohl bezweifeln.

Aber wie gesagt: deutsches Familien-TV gehorcht anderen Regeln. Da gelten Gesetze, nach denen man sich in der nichtverfilmten Wirklichkeit wohl besser nicht richtet. Fragt man sich natürlich: Wie kommt einer wie Stephan Sarek dazu, diesen Klamauk so ernsthaft in eine Comedy-Jugend-Buchserie zu verwandeln? Haben ihn die Leute von der GEZ zu sehr geplagt? Oder wurde er in einem geheimen Experiment zum Dauer-Fernsehgucken verdammt und durfte den Sender nicht wechseln?

Wikipedia verrät: "Nach seiner kaufmännischen Lehre arbeitete Stephan Sarek als Feuerwehrmann, Landschaftsgärtner, Sanitäter, Seefunker und Komparse in 250 Filmen und Fernsehserien ..." Da weiß man's dann. Und hat so eine Ahnung, dass sich der Autor nicht im zölibatären Björn porträtiert hat, sondern in jenem skurrilen Hans-Ullrich Brandtner, dem Maria und Björn in diesem Buch über den Weg laufen und der sich - vor seinem ganz großen Auftritt als Außerirdischer - ein paar Kröten beim TV als Stativverdecker verdient hat. Und er hat unter dem Pseudonym Klostermann jene Schwarte verfasst, die anderen Leuten Tipps fürs Leben gibt. Stephan Sarek wird wohl auch mit dieser Art Lebenshilfe aus deutschen Buchhandlungen seine Erfahrungen gemacht haben. Wer nun freilich dummerweise so ein Lebenshilfe-Buch als Weihnachtsgeschenk gekauft haben sollte, könnte jetzt ein paar Selbstzweifel bekommen. War das tatsächlich ein guter Gedanke? - Misstraut den Ratgebern, kann man eigentlich nur sagen.

Und den Erzählungen der Erwachsenen, wie sie zu ihren Kindern gekommen sind, sowieso. Es könnte sein, dahinter steckt ein genauso großer Schwindel. Am Ende erfährt man natürlich auch, woher das Mischlingsbaby kommt und warum es Tango heißt und wie man beim Tanzen zum Vater werden kann. 

 

Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung

 

 

 

 

 

Der Mumiengarten 

 

Ist es ein Thriller? Ist es Slapstick? Ist es eine Burlesque über das neue prekäre Lebensgefühl in deutschen Landen? - Bei Stephan Sarek kann man sich dessen nie sicher sein. Auch nicht, wenn er ein Buch mit dem krimi-verdächtigen Titel "Der Mumiengarten" vorlegt.
Und dann gar noch in die Rolle einer Frau schlüpft - und noch dazu einer anspruchsvollen. Sophie heißt die junge Dame, alleinerziehende Mutter einer kessen Tochter, der meditativ veranlagte Vater hat sich nach Indien abgesetzt und der Job bei der Sozialfürsorge des kleinen Städtchens Kastanar ist für die 28-Jährige die erste Chance, eigenes Geld zu verdienen. Eine Situation mit vielen Möglichkeiten. Denn den Job bekam Sophie - wie das in deutschen Landen mittlerweile Mode ist - auf Probe.

Was ja nicht heißt, dass man sich bewähren darf oder gar zeigen, dass man was kann. Das ist - man spürt es bald - auch im Sozialamt von Kastanar unerwünscht. Kreative Ideen sind eher gefragt beim Einsparen von Leistungen und beim Suchen von privaten Paten für die Notfälle der Stadt. Und da dafür in der Regel nur wieder die Reichen und Gutsituierten in Frage kommen, ist auch dieser Keim gelegt zu einer Geschichte aus dem gewöhnlichen kriminellen Gestrüpp der kleinstädtischen High Society, zu der auch ein Bauunternehmer gehört, der keine Skrupel kennt, ein Amt unter Druck zu setzen, wenn es um seine schöne Aussicht geht.

Stört nur das vermüllte Grundstück eines alten Mannes, den man ja - mit Amtsgewalt - ins Heim stecken könnte. Was dann Sophies Aufgabe wird, mehr oder weniger. Und der Anfang einer ganz anderen Geschichte, in der es drunter und drüber geht. Ein wenig so wie in den alten tschechischen Kinderfilmen um Pan Tau oder in Václav Vorlíceks "Wie soll man Dr. Mrácek ertränken? oder Das Ende der Wassermänner in Böhmen".
Es sind zwar keine Wassermänner, mit denen es Sophie zu tun bekommt, aber mit eigenartigen Gestalten bekommt sie es doch zu tun. Und wie man das so kennt aus den verrückten Pan-Tau-Filmen, benehmen sich einige der handelnden Gestalten nicht ganz rational, ein seltsamer Bestatter und ein obskurer Filmregisseur tauchen auf. Der Besuch des Sozialministers sorgt für einen Moment der Unwirklichkeit, Pferde galoppieren durch die Stadt, Sophies Auto fährt nur, wenn das Radio angeschaltet ist, und von drei Herren aus dem Amt geben sich wenigstens zwei Mühe, die junge Mitarbeiterin ins Bett zu bekommen.
Und das Faszinierende ist: Man nimmt Sarek die Rolle ab - mit all den Freuden, die eine junge Mutter mit einer nimmersatten Tochter hat. So nebenbei lässt sie sich in der Geschichte, in die sie da geraten ist, auch nicht die Butter vom Brot nehmen, greift zu unorthodoxen Lösungen und sorgt selbst mit dafür, dass die Geschichte Fahrt aufnimmt und auf den Höhepunkt zutreibt, der etwas mit einer uralten Legende und einem 2.000 Jahre alten Fluch zu tun hat.

Ein Buch mit lesbarer Lust am Fabulieren, Pointen-Setzen und am Spiel mit Strickmustern, wie sie in Film- und Buch-Klamotten schon tausendfach durchexerziert wurden. Nur belässt es Sarek nicht bei üblichen Lösungen, sondern lässt sich auf ganz ähnliche phantasievolle Entwicklungen ein, wie man sie eben aus diesen unverwechselbar skurrilen tschechischen Kinderfilmen kennt.
Nur wird man die Hauptrolle nicht mehr mit der allseits beliebten Libuse Safrankova besetzen können. Aber vielleicht sind diese dreisten jungen Dinger ja noch nicht ausgestorben. Oder von den Herren Berger & Co. bis zur Demut entmutigt.
Auch so kann man Sareks wilde Jagd durch die Nächte von Kastanar lesen: Als Liebeserklärung an selbstbewusste junge Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, egal, wie schäbig oder unbeholfen sich die Herren der Schöpfung benehmen.
Die Lösung ist dann natürlich eine gute. Jedes Märchen geht gut aus. Und dies hier ist eines, bei dem am Ende - neben der Mit-Freude - auch die Gewissheit bleibt: In der deutschen Provinzrealität sehen die üblichen Lösungen anders aus. Was weder ermutigend ist für die Sophies noch für die Prinzen. Aber deshalb gibt es ja die Märchen. Damit man den Mut nicht verliert bei all der amtlichen Schäbigkeit. 

 

Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung
 

                     Berlin
Stephan Sarek, Berlin